Der Unfall und die Folgen.
Stationen: Berlin - Seesen - Hannover -
zurück ins Leben.
An den Unfalltag (27.06.99) kann ich mich nicht erinnern. Es fehlen
mir knapp fünf Tage.
Laut Zeugen bin ich mit meiner ZX6 unter ein PKW gerutscht, wärend dieser (auf
einer Kraftfahrstrasse) wendete. Während dieser 5 Tage war ich wohl ansprechbar, wusste aber schon 10 min. später
nicht mehr
was war. Mein Zimmergenosse im Krankenhaus soll dem Wahnsinn nahe gewesen sein.
Das erste an das ich mich erinnern kann ist: Ich erwachte im Bett des Klinikum
Steglitz, mein rechter Arm war am Oberkörper festgebunden (wie
bei einer Schulterluxation) und ich fragte mich wie ich hier her kam. Ich
hatte keine Schmerzen und keine weiteren Verletzungen, nur ein Taubheitsgefühl
im rechten Arm. Ein kurzer Blick auf mein Zimmergenossen und ich war wieder weg.
Aus der Klinik wurde ich am 02.07.99 nach Haus entlassen.
Diagnose: Traumatische komplexe obere und untere Armplexusparese rechts,
Schädel-Hirn-Trauma, Schulterprellung.
An ein Aufklärungs- oder
Beratungsgespräch kann ich mich nicht erinnern. Medikamente wurden mir keine
mitgegeben und auch keine verordnet.
Erst mal zu Hausarzt. Therapie: Krankengymnastik. Ca. zwei Tage
nach der Entlassung fangen Schmerzen und Missempfindungen an. Ich bekomme
Schmerztabletten (weiß nicht mehr welche) die aber nicht
wirken.
Dann bekomme ich Tramal, das hilft kurzfristig gegen Schmerzen, aber nicht gegen
die Missempfindungen.
Ich schaue den Arm an und halte ihn vor meinen Augen fest, und doch habe ich das
Gefühl der Arm sei wo anders, z.B. oft verdreht hinter dem Rücken.
Etwa zwei Wochen nach dem Unfall nehme ich täglich 5-6 mal 20-30 Tropfen Tramal,
und bin eigentlich nur noch im Delirium. Die Missempfindungen treiben mich
langsam in den Wahnsinn.
Durch Bekannte wurde ich auf eine neurologische Klinik in Seesen
aufmerksam gemacht.
Am 19.07.99 begab ich mich dort hin. Die fackelten nicht lange, und behielten mich gleich erst einmal da.
Die Schmerztherapie wurde zunächst in den Vordergrund gestellt. Mehrere
Medikamente wurden probiert. Erfolg hatten Neurontin zusammen mit Tramal.
Endlich fühlte ich meinen Arm dort wo er auch war.
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Prof. Volles und seiner
Mannschaft !
Hinzu kamen Krankengymnastik, Ergotherapie und Reizstromtherapie.
Noch in der Klinik bekam ich Info´s über die Möglichkeit der OP in der
Nordstadtklinik Hannover. Ich bekam ein
Termin zur Voruntersuchung im Dez. 1999. Dort wurde mir dann gesagt, dass mein
Problem operativ in den Griff zu bekommen sei. Den Termin zur OP bekam ich am
07.02.2000 per Post.
Am 03.04.2000 sollte es nun so weit sein - die erlösende OP. Nüchtern
erscheinen, Papierkram (Anmeldung, Kostenübernahme, etc.) erledigen, noch mal
Untersuchungen (u.a. Kontrastmittel ins Rückenmark) und dann die OP - oder auch
nicht.
Prof. Samii kam Abends aufs Zimmer stellt sich vor und erläutert den Eingriff
für den nächsten Tag.
Erster Gedanke: "Scheiße, umsonst gehungert." Dann meine Frage, wann ich meine Hand denn ungefähr wieder einsetzen könnte?
"Hand? - wer hat gesagt, dass ich Gott bin ?" war die
Antwort von Prof. Samii. Ich war dem Suizid nahe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mir keiner gesagt,
dass es bei der OP nur um die Aktivierung
des Bizeps geht. Nach dem mir dann noch gesagt wurde, dass die Erfolgsquote bei
ca. 30% liegt, weil ich ja so spät zu OP komme und der natürliche
Heilungsprozess nach der OP beendet ist, lehnte ich die OP ab.
Ich fragte, ob ich sofort gehen könnte. Dies wurde bejaht. Ich packte meine
Sachen und fuhr mit meinem Auto Richtung nach Haus. Auf der A7 bei Tempo 180:
Plötzlich Schweißausbruch und Sichtausfall.
Absolut blind, schaffte ich es das Auto, ohne Schaden, zum stehen zu bringen. Ich
hatte Angst, dass mir jemand von hinten auf mein Auto "brummt". Immer
noch nur weiß vor Augen, wusste ich nicht auf welcher Spur ich mit dem Auto
stehe. Nun wurde mir auch noch schwindlig und kotz-übel und ich zitterte am ganzen
Körper. Dafür kehrte langsam mein Sehvermögen zurück. Ich stand so ziemlich
auf der "Standspur". Nach dem es mir etwas besser ging, setzte ich die
Fahrt nach Hause langsam fort.
Am nächsten Tag ging ich gleich zu meiner Hausärztin. Die erklärte mir dann
das Phänomen vom Vorabend. Nach einer Rückenmarkspunktion ist normal Bettruhe
angesagt. Auf keinen Fall hätten die mich Auto fahren lassen dürfen. Das zum
Thema NHH. Ich begab mich wieder in ambulante Therapie nach
Seesen. Ergo, Reizstrom, Krankengymnastik - und hoffen, dass es was bringt.
Leider ist es so, dass mich ab und zu der Optimismus und das Durchhaltevermögen
verlassen. In dieser Zeit lerne ich auch "Leidensgenossen" kennen.
Teilweise persönlich, teilweise per Internet. Der Erfahrungs- und
Informationsaustausch tut mir gut und gibt neue Kraft. So beginne ich wieder
Motorrad zu fahren, und merke deutlich wie gut mir das tut. Nur die
bürokratischen Hindernisse machen mir zu schaffen. Ob es nun um Heilkosten und
Hilfsmittel geht, oder um Schadenersatz, oder Fahrerlaubnis, oder, oder. Das
kostet Kraft.
Fortsetzung folgt...
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